Jul 6, 2008

EVOLUTION, Varus und die Germanen




Leben bis zur Statthalterschaft in Germanien.
Varus wurde als Sohn des Quästors Sex. Quintilius Varus († 42 v. Chr.) geboren. Bereits um 22 v. Chr. war er quaestor Augusti in Achaia, wo er in dieser Funktion in demselben Jahr auf Tenos öffentlich geehrt wurde. Er begleitete anscheinend Augustus auf dessen Orientreise (22/19 v. Chr.). Seine hohe Stellung in der römischen Oberschicht verdeutlicht sich in der Übernahme des Konsulats im Jahre 13 v. Chr. Dieses Amt übte er gemeinsam mit dem späteren Princeps (Kaiser) Tiberius aus. Varus war mit dem Kaiserhaus verschwägert; er heiratete Vipsania Marcella, eine Großnichte des Augustus. Zirka 9/8 v. Chr. war er proconsul provinciae Africae.
Von 7/6 v. Chr. bis 5/4 v. Chr. war Varus
legatus Augusti pro praetore provinciae Syriae, wo er einen der stärksten Heeresverbände des Reiches mit drei Legionen befehligte. Er löste damit Gaius Sentius Saturninus ab. In Syrien war er politischer Berater des Herodes in Judaea und an dem Prozess gegen dessen Sohn Antipatros maßgeblich beteiligt und sorgte bei den ausbrechenden Revolten nach dem Tod des Herodes für Ruhe und Ordnung.
Syrien war eine außerordentlich wichtige „kaiserliche“ Provinz an der Grenze des Imperiums zum Partherreich. Reichhaltige literarische Zeugnisse zeigen, dass Varus hier mit den besonderen Problemen der vorderorientalischen Welt konfrontiert war, um deren Lösung er sich tatkräftig bemühte. Flavius Josephus schildert ihn während der Zeit in Syrien als friedfertigen, ruhigen und zurückhaltenden, ja sogar behäbigen und bequemen Menschen. Varus’ vielfältigen Vermittlungsbemühen in der Provinz, in Judäa und Rom sprechen für ein diplomatisches Geschick. Varus darf als erfahrener Militär und Verwaltungsfachmann gelten, der seine menschlichen Schwächen hatte. Dies widerspricht dem Bericht des Velleius Paterculus, nach dem Varus das Land ausgebeutet haben soll.
Wie wenig er aber das Geld verachtete, zeigte Syrien, wo er Statthalter war:
Arm betrat er ein reiches Land, reich verließ er ein armes Land.
Nach seiner Rückkehr nach Rom verschwägerte sich Varus nach dem Tod der Vipsania Marcella erneut mit der kaiserlichen Familie, indem er in dritter Ehe wiederum eine Großnichte des Augustus, Claudia Pulchra, heiratete.

Statthalter in Germanien
Von 7 bis 9 n. Chr. war Varus legatus Augusti pro praetore in Germanien. Varus war nun ein Mann Mitte 50, fast 15 Jahre älter als während seiner syrischen Statthalterschaft, und neigte – hier stimmt Velleius Paterculus mit Josephus überein – zur Bequemlichkeit. Dies ist aber nach seinem tragischen Ende gesagt, als man im Nachhinein die Schwächen des Varus deutlich herausarbeitete, die vorher so nicht erkannt wurden.
Varus durfte damit rechnen, in einem Gebiet zu operieren, in dem es zwar vor einigen Jahren noch Rebellionen niederzuschlagen galt, doch in dem Rom insgesamt seit beinahe zwei Jahrzehnten die politischen Vorgänge weitgehend kontrollierte. Das immensum bellum („gewaltiger Krieg“) (in den Jahren 1 bis 4 n. Chr.) kann kaum als einschneidendes Ereignis gewertet werden, denn in fast allen neu eroberten Gebieten hatte Rom mit vergleichbaren Vorgängen zu tun. Ohne Einschränkungen machten sich die Römer sofort daran, die Gehorsamspflicht und damit römisches Prestige und Autorität wiederherzustellen. Die weitgehende Etablierung der römischen Ordnung zeigt sich auch daran, dass
Arminius, der zum Anführer des Aufstandes gegen Varus wurde, Offizier alliierter cheruskischer Hilfstruppen war, und dass andererseits Varus aus germanischen Kreisen durchaus Andeutungen über bevorstehende Unruhen erhielt. Dennoch waren die Verhältnisse in Germanien auch weiterhin instabil, als Varus das Kommando übernommen hatte. Es gab auch zum damaligen Zeitpunkt keine flächendeckende römische Herrschaft zwischen Rhein und Weser oder gar bis zur Elbe.
Varus’ politischer Auftrag in Germanien lautete vermutlich:
innerer Ausbau und Neuorganisation des nach mehrjährigem Krieg wieder unterworfenen Landes, soweit es effektiv möglich war und die prekäre Grenzsituation das zuließ;
wachsame Defensive nach außen, bis der Sieg über die aufständischen Pannonier und Dalmater die Handlungsfähigkeit gegenüber den Elbgermanen zurückgeben und die Möglichkeit, die Okkupation Germaniens zu vollenden, bieten würde.
In der Geschichtswissenschaft
wird eine organisierte zivilisatorische Erschließung durch Varus mit dem Ziel der Errichtung einer neuen Provinz oder einer administrativen Anbindung des Großraumes zwischen Rhein und Elbe an die linksrheinische Verwaltung angezweifelt, da gerade während einer der schwersten Krisen Roms Pannonischen Aufstandes die Zeit ungünstig dafür war. Vor allem aber sei das genannte Gebiet ja keineswegs schon vollständig in römischer Hand gewesen.
Aus Gründen der außenpolitischen Sicherheit war Varus wahrscheinlich gezwungen, jede innere Unruhe in seinem Amtsbereich zu unterbinden und daher im Interesse Roms auf die Beendigung der internae discordiae bestrebt zu sein. Es sollte nicht erneut geschehen, dass – wie früher bei den
Cheruskern – die Vertreibung der prorömischen Stammespartei Unruhen nach sich zieht. Dies wird Varus mit dazu bewogen haben, die Anzeige des Segestes nicht zum Anlass zu nehmen, gegen Arminius vorzugehen. Die Rechtsprechung des Varus wird mit Sicherheit der Beilegung von Streitigkeiten zwischen den einzelnen Stämmen gedient haben, schwerlich der Schlichtung von privaten Konflikten einzelner Germanen.
Dem Ziel der Befriedung der einzelnen Stämme durch Eindämmung der Faktions- und Stammeskämpfe, Gefolgschaftskriege und Abwanderungen dienten feste Regelungen der Stammesverhältnisse, die die Einsetzung von Stammesautoritäten, Truppenstellung, Abgaben und Versorgungsleistungen, eventuell auch Entwaffnungsvorschriften und Kontrolle der öffentlichen Versammlungen, insbesondere des Marktverkehrs umfassten. Grundsätzlich ging es Varus um römische Herrschaft und inneren Frieden durch feste Abkommen mit den Stämmen bis zur Elbe, Aufbau einer römisch kontrollierten, aber von einheimischen Germanen mitgetragenen militärischen Infrastruktur, Eröffnung eines gewissen Warenverkehrs, vor allem aber um die Bindung der duces und ihrer sozialen Interessen an das römische Rang- und Wertesystem.
So sprach Varus tief im Landesinneren Recht, regelte die Beitreibung von Abgaben und griff vermittelnd in stammesinterne wie stammesübergreifende Konflikte ein. Das ihn begleitende Heer dürfte nicht nur den für ein erfolgreiches Verhandeln hilfreichen Druck ausgeübt haben, sondern es trug darüber hinaus zur Verbesserung der Infrastruktur und damit auch der römischen Erschließung des Landes bei.
Während er sich im Jahr 9 n. Chr. mit drei Legionen auf dem Rückzug in sein Winterlager am Rhein befand, lockten ihn die Germanen unter dem Cheruskerfürsten Arminius in einen Hinterhalt und schlugen ihn in der so genannten
Varusschlacht vernichtend. Die Schlacht gilt mit dem Verlust von drei Legionen und ebenso vielen Reiterabteilungen sowie sechs Kohorten als eine der größten römischen Niederlagen. Varus nahm sich noch auf dem Schlachtfeld das Leben. Als Augustus von der Niederlage des Varus in Germanien erfuhr, soll er nach den Ausführungen des Biographen Sueton ausgerufen haben:
Quintili Vare, legiones redde! (auf deutsch: „Quintilius Varus, gib die Legionen zurück!“)
Arminius schickte den Kopf des Varus zwecks eines Bündnisangebots gegen die Römer an
Marbod, was der König der Markomannen allerdings ablehnte. Marbod sandte den Kopf des Varus an Augustus. Der Princeps ließ das Haupt des Varus ehrenvoll in seinem eigenen Mausoleum bestatten.Der Grund für den Aufstand der Germanen gegenüber Varus wird einerseits im Auftreten des Varus selbst gesehen, zum anderen in dem zu eigenmächtigen Handeln.
Als aber Quintilius Varus das Kommando in Germanien übernommen hatte und die Verhältnisse bei ihnen auf Grund seiner Amtsgewalt zu ordnen suchte, war er bestrebt, sie schneller völlig umzuformen, er gab ihnen generell Befehle, als ob sie schon in Knechtschaft lebten, und trieb von ihnen sogar Tribute ein, wie dies gegenüber Untertanen üblich ist.
Unbestritten ist, dass Varus für den Untergang der drei Legionen als höchster Militär vor Ort die Verantwortung trug. Unklar ist, inwieweit seine ungeschickte Politik auf ihn persönlich oder auf Anweisungen aus Rom zurückzuführen war. Fest steht allerdings, dass trotz der konkreten Warnung des Segestes – so berichtet zumindest Tacitus – Varus keinerlei erkennbaren Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, auch nicht diejenigen, die im Normalfall fällig wären (Aufklärung und Sicherung der Marschkolonne).

Urteil der Geschichtswissenschaft
Aufgrund der negativ gefärbten Quellen ist eine unabhängige Bewertung kaum möglich. Während Cassius Dio, seine Vorlage soll auf die Zeit um 20 n. Chr. zurückgehen, manchmal noch positive Aspekte durchscheinen lässt, moralisiert Florus stets und Varus wurde seit der tiberischen Zeit ein Musterbeispiel schlechter Moral. Diese Sichtweise setzte sich fort bis in die Spätantike. So ist von
Orosius zu hören:
Zur gleichen Zeit aber wurde Q. Varus, der mit außerordentlichem Hochmut und Habsucht gegen die Unterworfenen vorging, mit drei Legionen von sich erhebenden Germanen völlig vernichtet.
Die moderne Geschichtswissenschaft diskutiert vor allem in welcher Weise die römische Führung Varus als Alleinschuldigen ansieht. Die Mehrzahl der Forscher, die eine Sündenbockfunktion des Varus für die Niederlage vertritt, sieht dies vor allem in der römischen Tradition begründet. Dabei wird dem verantwortlichen Feldherr die Schuld an der Niederlage gegeben, denn es war in Rom verpönt, den einfachen Soldaten die Schuld zuzuweisen. Das Heer hingegen wird als besonders tapfer und tüchtig dargestellt. Es wurde nur denjenigen Soldaten die Ehre abgesprochen, die kapitulierten. Der von Sueton übermittelte Ausspruch des Augustus „Quintili Vare, legiones redde!“ wird als direkte Schuldweisung an Varus gedeutet, während die Mindermeinung diesen von Sueton übermittelten Satz nicht als Schuldvorwurf, sondern mehr als verzweifelten und verbitterten Ausruf über den Verlust der Legionen interpretiert. Zusätzlich hat der Althistoriker Dieter Timpe argumentiert, dass sich das Bild des Varus in den Quellen im Laufe der Zeit noch verschlechterte. Weiter wurde argumentiert, dass die Witwe des Varus ihre hohe Stellung in der Gesellschaft vermutlich halten konnte.
Ferner werden die Vorwürfe von römischer Seite, nach denen Varus durch sein arrogantes Verhalten die Germanen in den Aufstand getrieben haben soll, von
Werner Eck als rechtmäßig legitimiert angesehen, da Germanien zu dieser Zeit bereits provinzialisiertes Gebiet innerhalb des römischen Imperiums war Als indirektes Zeugnis der Amtszeit des Varus als Legatus Augusti pro praetore der gallischen Provinzen sind 18 Münzen aus Haltern mit der Schlagmarke VAR zu werten: eine Münze der Nemausus-Serie I und 17 Asse der ersten Lyoner Altarserie. Bis vor wenigen Jahren waren zwischen Rhein und Elbe nur zwei weitere Münzen mit dem Gegenstempel VAR als Einzelfunde bekannt.

1 comment:

Anonymous said...

Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website pirmasens.blogspot.com Links tauschen