Mar 19, 2008

marching on...


Die Welt
Artikel Februar 05
Kriegsverbrecher...Hitler,Truman Stalin und Churchill; that's my comment, not the writers...
Mit der Zerstörung Dresdens und Hiroshimas beginnt der Kalte Krieg. Die Alliierten ringen untereinander um die Aufteilung der Welt. Die Zivilbevölkerung wird zur Geisel
von Jörg Friedrich
Die Eisenbahnlinien, die die Stadt durchquerten", schreibt der US-Regierungsbericht zum Effekt der Hiroshima-Bombe, "waren am 8. August, zwei Tage nach dem Angriff, so weit instand gesetzt, daß der Durchgangsverkehr wieder aufgenommen werden konnte." Dann erst machten sich Gammastrahlen und Neutronen im menschlichen Knochenmark bemerkbar und wirkten rasch tödlich. Schon dünne Betonschichten nahe Ground Zero wehrten den Stich der Nuklearstrahlen ab. Die Mehrzahl der 80 000 Toten ging an Hitzestrahlung, Druckwellen und Trümmerschlag zugrunde.
Die vierzigjährige Shugita Chiyoko, die am Morgen des 7. Augusts ihren Mann unter den am Tempel Shôsôji ausgebreiteten Körperresten sucht, erkennt ihn nur an den Füßen wieder. "Mein Mann hatte einen auffallend hohen Spann." Die Nachbarinnen erstaunen, "und ich habe gesagt, "wir leben seit zwanzig Jahren zusammen als Mann und Frau. Da seh' ich an den Füßen, daß das mein Mann ist. An den Fußknöcheln waren die Wickelgamaschen übrig, die er am Morgen beim Weggehen anhatte. Der Rest war wie abgeschnitten'."
Erst 1950 befaßten sich US-Physiker mit den Glutwellen, gemessen in Kalorien pro Quadratzentimeter, (cal/cm2). Präsident Truman hatte im Januar die thermonukleare, auch Wasserstoffbombe genannte Waffe bauen heißen. Ihre Zerstörungskraft entsprach beim Ersttest im November dem Äquivalent von zehn Millionen Tonnen TNT, gegenüber zwanzigtausend Tonnen der Hiroshima-Bombe. Der Vorzug des neuen Verfahrens bestand allerdings in der Thermalwirkung. Weil die Hitzewellen die Druckwellen überflügelten, studierte man aufs neue die alten Branddaten von 1945.

In Hiroshima maß der Feuersturm, der ein jegliches in seinem Umkreis verschlang, 1,5 Kilometer im Radius, seine thermische Vehemenz ca. 10 cal/cm2. Eine Ein-Millionen-Tonnen-Bombe würde bereits 22 cal/cm2 erreichen. Allerdings ließen sich Feuerschäden schwer vorausberechnen, denn zu viele Variablen mischten sich darin. Welchen Einfluß übten Wind, Temperatur, Feuchtigkeit aus, welche die individuelle Entzündlichkeit einer Stadt ihre Brandeigenschaften?
Solchen Fragen boten sich erst seit zehn Jahren Erfahrungswerte. Die Einäscherung von Städten aus der Luft verband sich, nach den Pionierversuchen der deutschen Luftwaffe in Warschau, Rotterdam und Coventry erst seit Mitte 1943 mit dem Vorsatz zur Massentötung. Der Feuersturmangriff auf Hamburg vernichtete über Nacht mehr Einwohner als die Luftwaffe in neun Monaten über England, etwa 45.000. Acht Wochen zuvor erst hatte der Brand von Wuppertal die bisher präzedenzlose Anzahl von über 3000 Toten erzielt.
Wuppertal brannte in der spezifischen Luftzirkulation eines Talkessels aus, Hamburg in zundertrockener Hochsommerhitze, Heilbronn, Dresden und Pforzheim im Winterschnee. Tokio war nahezu vollständig aus Holz und Papier gebaut, Darmstadt aus Sandstein, Münster aus Ziegeln. Hildesheim und Halberstadt gliederten sich in winkligen Fachwerkgassen, Mannheim in klassizistischen Quadraten, Dortmund und Duisburg in die wuchernde Blockbebauung des 19. Jahrhunderts. Die Thermonuklearplaner vertieften sich in die Archaik des Flächenbombardements gegen die verflossenen Achsenmächte, weil allein daraus das Brennverhalten von Städten zu erlernen war.
Die historischen Stadtbrände von San Francisco, Hamburg und London wiesen keine Ähnlichkeit auf mit der Prozedur, binnen 17 Minuten Würzburg und binnen 21 Minuten Dresden mit Hunderttausenden von Stabbrandbomben zu bewerfen, die Zigtausende gleichmäßiger Entstehungsbrände zündeten, damit sie in drei Stunden sich zu quadratkilometerweiten Flammenmeeren verbündeten. Die natürlichen Feuersbrünste hatten gewöhnlich eine einzige Quelle, die tagelang windgetrieben voranmarschierte. Die Treibwinde, so lehrten die Weltkriegsstatistiken, spielten bei den vertikal eingeschütteten Flugbrennstoffen eine Nebenrolle. Die wahre Vernichtungskraft steckte gar nicht in dem Wind, der das Feuer jagte, sondern in einem solchen Feuer, das seinen eigenen Bodenorkan entfesselte.

Dieser Motorik der Elemente können Mensch und Gehäuse nicht ausweichen. Es fängt Feuer, das Feuer setzt die Luft in Schwung, die Luft das Feuer und beider Wirbel löscht das Leben aus und seine Zeugnisse: Die Bücher, die Altäre, die Hospitäler, die Asyle, die Kerker und die Kerkermeister, den Blockwart und das Blockwartkind, die Waffenschmieden und den Waffenschmied, den Volksgerichtshof samt dem Volk, die Sklavenbaracke und das Judenversteck, die Würger nebst dem Würgeropfer. Hiroshima und Dresden, Tokio und Kassel wurden transformiert von Städten zu destruktiven Systemen. Der Transformator ist der Bombenkrieg und der Bombenkrieg seine Baustrecke. Gebaut wird bis heute, er ist ein work in progress, kaum eine Nation, die nicht daran feilte. Und es werden mehr.
Die paar Atomprogrammierer, die vor vierzig Jahren die komplizierte Alchimie und Mechanik nachprüften, welche die Weltkriegsgeneration zum Städteschleifen verwandt hatte, suchten darin das e i n e, das so kein zweiter mehr erfahren hat: die Echtzeit, den einzigen Lebendversuch der kriegerischen Massenvernichtung, die mühsame Strecke Warschau - Hamburg - Nagasaki.
Doch indem die Methoden funktionstüchtig waren - ein Bombenteppich 1942 aus tausend reibungslos choreographierten Maschinen auf das heilige Köln, und 1945 ein Energieblitz, heller als 1000 Sonnen und tödlicher als 200 000 Tonnen Trinitrotoluol - versenden sie ein Signal: es geht! Was geht, kann irgendwann jeder. Und ob, was jeder kann, keiner je macht, ist nicht besonders wahrscheinlich. Das "Ob' ist pure Glaubens- und Glücksache. Es ist eigentlich nur dem Hoffen und Beten zugänglich. Das "Wie' aber ist ein Realberuf. Seit Dresden und Hiroshima wird fieberhaft das "Wie' bearbeitet. Wie wären ähnliche Todeszonen sicherer, handlicher, billiger und größer herstellbar?
Der Untergang der zwei Städte erzählt auch eine häßliche Geschichte über das "Ob' der weapon of mass destruction. In dem das Know-how beisammen war, regelte sich der Grund für seinen Einsatz ziemlich von selbst. Als Otto Hahn 1939 mit seiner Uran-Spaltung den Gesetzen der Materie näher kam, begann wenige Wochen später die Prüfung, ob so etwas nicht in eine Bombe einzubauen sei? Die Beschreibung der nunmehr verfügbaren Energie publizierten die Physiker v. Weizsäcker und Flügge mittels des Bildes, daß die Kettenreaktion in einem Kubikmeter Uranoxyd dazu ausreiche, den Berliner Wannsee in die Stratosphäre hinauf zu schleudern.

Auf Anhieb begriffen die zuständigen Wehrmachtsstellen die Verkehrtheit dieses Bildes. Denn viel praktischer wäre, eine Wucht wie den Wannsee auf eine Stadt wie Berlin herabzuschleudern. Eines wie das andere eine Nutzanwendung von E=mc2 , Einsteins Formel. Einstein, vor dem Nazi-Terror in die USA geflüchtet, kannte besser als irgendeiner die nunmehrige Identität von Welterklärung und Weltzerstörung. Jeder verfügte nach Hahns Uran-Experiment über sagenhafte Energiekapazität wie sagenhafte Vernichtungskapazität. Dafür waren seinerzeit noch ungeheure Mittel erforderlich, zudem ein Ungeheuercharakter, sowie Zugang zu Uran. Heute geht alles einfacher; man kann es auch kaufen.
Als das Ungeheuer Hitler im Mai 1940 Frankreich schlug, und unterwegs auch Belgien, öffnete sich ihm womöglich die Welt-Urankammer Belgisch-Kongo. Einstein schrieb darum dem Präsidenten Roosevelt einen Brief und riet, seiner Formel nun ihr Destruktivpotential zu entnehmen. Amerika möge eine Atombombe bauen, zur Prävention. Damit nicht der Allesvernichter Hitler sie als erster besitze, müsse sie das Monopol der freiheitlichen Welt sein. Ihre Bombe käme der seinigen zuvor, gewissermaßen als der Waffenausdruck seines Charakters; eine Höllenmaschine zum Sturz des Höllenfürsten. Das einzige Problem war, die Waffe noch herzustellen, bevor der Krieg entschieden war.
Während der Industriegigant USA sich in das gewaltigste Entwicklungsprojekt aller Zeiten stürzte, rangen die Militärgiganten Deutschland und Rußland um den Sieg. Deutschland mochte insoweit als bevorteilt gelten als es im Herbst 1942 auf den Höhen des Kaukasus und am Ufer der Wolga stand. Nebenan lagen Kasachstan und Iran. Außer diesen Abertausenden von Kilometern entfernten Linien hatten die Deutschen noch eine zweite Front, etwa 4 km über ihrem Haus. Dort kämpften verbissen und verlustreich die Mannschaften Premier Churchills und Air-Marshall Harris'. Seit 1942 wechselten sie von der Bombardierung rüstungswirtschaftlicher Schlüsselziele zur Inbrandsetzung von Stadtflächen.
Weil Deutschland mehr Fabriken besaß als England Bomber, waren Präzisionsangriffe auf Stahl- und Hydrierwerke leichter zu verschmerzen als Präzisionsangriffe auf das spärliche Fluggerät. Für Flakkanoniere und Jagdflieger stellten Anfang 1942 knapp 400 Bombenvehikel keine unbezwingbaren Objekte dar. Begreiflicherweise flüchteten sich die Bomberschwärme in die Dunkelheit des Nachthimmels. Dort waren sie schwerer zu sehen, sahen indes auch nichts genaues, allenfalls die Konturen einer Stadt.
Eine 1,5 Millionen-Stadt wie Hamburg kann man nicht in 30 Minuten sprengen mit 3000 Bombentonnen. Das ist zu kurz und zu wenig. So mußten die Briten erlernen, die Städte abzubrennen. Wie einer ihrer Hauptfeuerstrategen, Horatio Bond ausführte, löste das Abladen von etwa 600.000 Stabbrandbomben über Dresden das Navigationsproblem: "hit or not hit". Die Sprengbombe, die anstelle der Kruppschen Fabrik in Essen das Kruppsche Krankenhaus trifft, ist militärisch vergeudet. Die Brandbombe nicht, denn das Krankenhaus gibt den Brand weiter. Alle Munition zahlt sich aus, die Stadt selbst multipliziert die Waffe. Aber die Stadt bekämpft sie auch, löscht und erstickt die Flamme. Es kostete die Royal Air Force und die US-Bomberflotte drei Jahre bis man die Technik der Brandstiftung aus der Luft halbwegs beherrschte: Die Zubereitung eines nicht mehr zu löschenden Innenstadtfeuers.

Vom Februar bis August 1945, in Dresden, Pforzheim, Würzburg, Halberstadt, Kobe, Osaka, Nagoya, Yokohama, Tokio etc. starben insgesamt 330.000 Personen in konventionellen Brandangriffen, 120.000 in nuklearen. Vier Fünftel der japanischen Opfer wurden unidentifiziert verscharrt. "Im dunklen Wasser des Sumida-Flusses", schreibt der militärische Luftschutzleiter Dr. Shigenori "trieben zahllose Körper, bekleidete und nackte, alle kohlschwarz. Es war irreal. Das waren tote Menschen, aber man konnte nicht feststellen, ob es Männer oder Frauen waren. Man konnte nicht einmal sagen, ob diese vorbeidriftenden Gegenstände Arme, Beine oder verbrannte Holzstücke waren." Als sie noch belebt waren, hatte der Sprung ins Naß vor der kochenden Atemluft retten sollen, welche die Lungen verschmorte, die Kleider entzündete, aus denen Stichflammen schlugen. Menschen rannten aus den Flächenbrandzonen, ihre Habe auf die Schultern geschnallt, und merkten nicht, daß diese Funken fingen. Wie die Mutter, die rücklings ihr Baby mit sich schleppte, erst in einer Erschöpfungsrast sah, daß Feuer es umhüllte. Das Wassertauchen half nichts. Dies Element brodelte wie die Luft, und die Taucher wurden darin gekocht.
Hätte Tokio die Hiroshima-Bombe getroffen, würde die Tötungszahl sich dort vervierfacht haben. Rechnerisch hätten 1000 Bomber mit je 10 Tonnen konventioneller Munition beladen, ebenfalls 300.000 Tote erzielt, aber umständlicher und in der Praxis weit ungewisser. De facto gelang es in Deutschland 1945 nur dreimal, fünfstellige Vernichtungszahlen zu erreichen, in Dresden, Pforzheim und Swinemünde.
Der Unterschied der zwei Vernichtungsmethoden ist, kurz gesagt, daß die Nuklearwaffe die Selbsterzeugerin der Druck- und Hitzeenergien ist, die Gebäude zermalmen, Menschen versengen, Feuersbrünste generieren. Der Brand- und Sprengmix konventioneller Operationen geht den Umweg über die Materie der Stadt. Sie muß auf verschiedene Impulse der feinabgestimmten Munition stofflich reagieren, z.B. Dächer abwerfen und Fensterglas zersplittern. Anders werden die Häuser keine Kamine, Feuer braucht Zug, und die Keller keine Krematorien. Denn das Fassadengestein muß die Hitze ins Fundament leiten, wo die Menschen kauern.
Es gab Städte wie Berlin, die nicht richtig arbeiteten. Die Straßenbreiten und Brandmauern, die reiche Begrünung und Wasseräderung widersetzte sich den Injektionen und antwortete darauf verkehrt. Dresdens Enge, Altstadtschnörkel und Bauholzigkeit verarbeiteten die eingespeisten Impulse hingegen plangemäß. Der sorgsam gewählte Viertelkreis mit dem Ostragehege im Winkel und der Krümmung vor dem Hauptbahnhof funktionierte als "fire-raiser". Es war die altersgebeugte Gestalt der aus historischer Ferne gekommenen Stadt, die sich am besten dazu eignete. Freiburg, Heilbronn, Trier, Mainz, Nürnberg, Paderborn, Hildesheim, Halberstadt, Würzburg, diese Allee der deutschen Geschichte, teilten in diesen Monaten das Los der sächsischen Residenz. Ihrer Materialbeschaffenheit widmeten die alliierten Brandstrategen eine eigene Wissenschaft.
Im britischen Watford sowie im amerikanischen Eglin Field, Florida, und Dugway Ground, Utah, entstanden Dummy-Ortschaften aus den Baustoffen und Inventarien der deutschen, bzw. japanischen Siedlung. So etwas erfordert Gründlichkeit. Es müssen die echt japanischen Bodenmatten sein, sowie Art und Anteil deutschen Spielzeugs in deutschem Haus. Dort werden auch mehr Wollmäntel aufbewahrt als in Japan und zwar in massiveren Schränken aus Eiche, Kiefer, Buche. Wieviel Bücher, welche Gardinen, was für Polster? Die Krone ist das deutsche Dachgebälk. Dann wird geübt.
Die Übung gelingt, wenn den richtigen Brennstoffen die richtigen Brandmittel zuteil werden. Das bereitet die größte Schwierigkeit, weil vier Kilometer hoch vom Nachthimmel aus zu besorgen.
Die Todeszone markieren rot-grüne Lichter, wie mit dem Farbstift gezogen. Um alle Munition in diesem Leuchtrahmen unterzubringen, wurde im August 1944 eine Flugtechnik über Königsberg kreiert, genannt "der Fächer": Die eintreffende Staffel kreuzt einen verabredeten Punkt, in Dresden ein Sportplatz. Er ist das Gelenk. Denn ist der Punkt überflogen, fächert der Kurs der Maschinen nordöstlich und südöstlich auseinander. Eine jede knickt ab in eigene Winkel und kennt eine in Sekunden gemessene Distanz vom Gelenk, overshoot genannt. Jedem Piloten ist ein anderer overshoot gegeben. Ist angezeigt, öffnet sich der Bombenschacht.
Der Fächer fliegt dreistöckig. Bei exakter Windberechnung fällt die Munition aus allen Etagen in parabolischer Bahn auf das Segment, egal verteilt. Dann ist es gesättigt. Hat eine Luftwaffe diese Vollendung erreicht, fragt sie nicht bohrend, ob Massenvernichtung sich gerade militärisch lohnt. Es schadet nicht, zu zeigen was man kann. Was jetzt nicht zählt, braucht man später und dann will es gekonnt sein. Nur im Krieg ist der nächste Krieg zu üben im Original. Das härtet anders ab.
Als der Soldat Jack Couffer im Dezember 1943 durch Dugway Grounds Häuser schlenderte, die, nach Air-Force Angaben "des Typus verkörpern, worin 80 Prozent der deutschen Industriebevölkerung wohnt" überkamen ihn Vorstellungen. "Ich schaute in die leeren Fenster und stellte mir in schrecklicher Deutlichkeit diesen Ort bevölkert vor, berstend von Leben, mit Leuten, die durch die schmalen Gassen von und zur Fabrik gingen, Straßenhändler, Einkäufer, spielende Kinder. So ein steriler Ort ist emotionsloser abzufackeln, wenn man solche Phantasien wegschiebt". Der künftige Luftkrieg war mit Skrupeln nicht mehr zu bestreiten. Curtis Le May, der Haudegen der Kampagnen über Deutschland und insbesondere Japan, half sich fünf Jahre später, inzwischen Befehlshaber des Strategic Air Command der Vereinigten Staaten, mit der Ansicht, daß es den Zivilisten nicht mehr gäbe und folglich auch keine Schonung. Anders hätte er auch nicht ein Amt verwalten können, das 1949/50 den Abwurf von 100 Atombomben über 70 russischen Städten mit mindestens 2,7 Millionen Toten planten. ( Pläne "Reaper' und "Trojan') Die Veranlagung dazu trug Le May aus Japan nach Hause. " Wir wußten, wenn wir damals eine Stadt verbrannten, daß wir eine Menge Frauen und Kinder töten würden. Der Zweck der Strategie ist die Zerstörung des feindlichen Kriegsführungspotentials. Das mußte alles ausradiert werden." Die Japaner hatten ein weitverzweigtes Fertigungssystem "Man brauchte nachher nur durch eines dieser von uns gerösteten Ziele zu spazieren, und sich die Ruinen der zahllosen winzigen Häuslein anzusehen. Aus jedem Schutthaufen schaute irgendeine Bohrpresse heraus. Die ganze Bevölkerung war darin verwickelt, Flugzeuge zu basteln oder Kriegsmunition, Männer, Frauen und Kinder." Darum hat man sie auch im 2. Weltkrieg abgeschlachtet. "Es gibt keine unschuldigen Zivilisten. Man bekämpft ein Volk und keine Streitkräfte mehr."
Wenn ganze Völkerscharen zu vertilgen sind, verwundert auch nicht die Massierung von 10 000 amerikanischen Nuklearsprengköpfen in der Zeit der Berlin- und Kuba-Krise. Vierhundert davon reichten aus, ein Drittel der russischen Bevölkerung auszulöschen, die 1960 zweihundert Millione n Köpfe zählte. Eigenverluste der USA wollte der der seinerzeitige Kriegsminister Robert Mc Namara, im Falle eins Schlagabtauschs, auf unter 20 Prozent halten. Mehr sei nicht hinnehmbar. Demzufolge wären 10 Prozent, das heißt ein 18-Millionen-Personen-Verlust, noch hingenommen worden.
Längst hatte es Einstein vor seiner Bombe gegraust, die das Übel vom Planeten schaffen sollte. Sie war das Übel und das Übel war sein Geschöpf. Die Spezialwaffe gegen Hitler verlor den Adressaten, noch ehe sie fertig war. Zudem besagte schon im November 1944 geheimdienstliches Wissen, daß falscher Alarm geschlagen war. Hitlers Massenvernichtungswaffe existierte gar nicht. Die Deutschen hinkten in ihren diesbezüglichen Künsten weit zurück und würden es in diesem letzten ihrer absehbaren Kriege nicht weiter mehr darin bringen. General Eisenhower stand bereits in Aachen und Marschall Schukow an der Weichsel. Beide in gleichem Abstand zu Berlin.
Während die Heere miteinander zum Wettlauf gegen Hitlers letzte Bastionen antraten, die wirtschaftliche an der Ruhr und die politische in der Hauptstadt, rannten die Atomphysiker gegen das nahende Kriegsende an. Die Feldzüge waren vermutlich eher fertig als die Bombe. Nachdem Hitler als deren eigentliche Ursache und Paßform fortfiel, hatten sich Roosevelt und Churchill darauf verständigt, daß sie unter Umständen auch auf Japan paßte. Doch diese Umstände erledigten sich einer nach dem anderen. Wie das Nazi-Reich war auch das Reich der Sonne rüstungswirtschaftlich ausgeknockt, von der See her abgeschnitten und ohne Zufuhr von Öl, Metallen und Nahrung. Statt dessen stand es wehrlos den Feuerattacken Le Mays offen. Überdies lasen die amerikanischen Dechiffrierdienste, die den diplomatischen Code zur japanischen Botschaft in Moskau geknackt hatten, atemlos, daß Tokio Stalin anflehte, einen Frieden zu vermitteln.
Die Uran-Bombe war auch insoweit entbehrlich, als die Brandorkane inzwischen ähnlich respektable Schäden erzielten. Überdies stellte sich in Deutschland soeben heraus, daß chirurgische Präzisionsschläge gegen Öl-Anlagen und Transportwege militärisch weit schädlicher wirkten. Nachdem die deutsche Jagdwaffe ohne Sprit am Boden klebte, konnte man so gut wie verlustfrei zielen. Damit erübrigte sich auch die konventionelle Massenvernichtung. Auf diesen bisher wirkungsarmen Notbehelf konnte man getrost verzichten; man wußte jetzt etwas Besseres. Man wußte wie die Allianz siegen würde, Hitler und Speer wußten es auch. Am 30. Januar eröffnete der Rüstungsführer dem Wehrmachtsführer, daß die deutsche Wirtschaft in vier bis acht Wochen demoliert sei. "Nach diesem Zusammenbruch kann der Krieg auch militärisch nicht fortgesetzt werden." Eine ganz zutreffende Kalkulation.
Nur, was für ein politischer Zustand nach den acht Wochen auf dem Trümmerkontinent zu etablieren sei, war allen War-Lords unklar. Stalin wußte zumindest, was er wollte; Hitler, daß ihn das alles nichts mehr anging. Er konnte nur noch soviel Leute wie irgend möglich mit hinab in seinen Tod reißen und im übrigen die Reste entzwei schlagen lassen, die in Deutschland noch senkrecht standen. Hitlers entsprechenden Anweisungen an Speer und die Gauleiter schlossen die zwei übrigen Kriegschefs sich zwanglos an: Churchill und Roosevelt entfesselten mit ihren nun 3000 Flugmaschinen ein "around-the- clock-bombing", das der größte britische Militärhistoriker seiner Zeit, Basil Liddle-Hart, einen Mongolensturm nannte. Zweidrittel der Bombentonnage ihres fünfjährigen Luftkriegs fielen im Februar, März und April 1945, das allermeiste davon auf militärisch unbedeutsame und bedeutungslose Ziele. Der winzigste Munitionsteil, die Präzisionsschläge gegen die 16 Bahnausfallstrecken aus dem Ruhrgebiet, übte die größte Wirkung aus.
Dem Aufbau strategischer Luftstreitkräfte hatten die West-Alliierten ihre meisten Mittel zugeteilt. Auf diese Waffe sollte ihr Imperium sich künftig stützen, zumal wenn kombiniert mit nuklearer Ladung. Auch wenn außer dem todwunden Japan ein geeigneter Empfänger für die fast fertige Superbombe fehlte, wähnte ihr Hauptpromoter, Kriegsminister Stimson, sich nun alsbald am Drücker der "most terrible weapon ever known in human history". Die Herstellung hatte 2 Milliarden Dollar gekostet. Damals viel Geld, doch wiederum wenig, verglichen mit der Summe, die investiert war in den schrecklichsten bzw. zweitschrecklichsten Despoten der Menschheitsgeschichte. Damit der Herrscher des Gulag den Herrscher von Auschwitz besiege, hat man ihm Kriegs- und Versorgungsgüter für 10 Milliarden Dollar geliefert. Die Investition ging auf.
Um den Preis von über 20 Millionen Toten rang Stalin den gewaltigsten je angetretenen Kampfverband nieder, der mit insgesamt 8 Mio. Mann binnen vier Jahren eine Frontbreite von maximal 2500 km spannte. Kein anderer Herrscher auf Erden war zu solch einer Abwehr fähig. Und auch das nur dank der 17 Millionen Tonnen Lieferungen seiner westlichen Partner. Diesen bot sich für die Nachkriegswelt folgenden Eröffnungsbilanz dar:
Die Aktiva von 2 Mrd. $, welche in ihrem militärischen Haupt-As, der Atombombe steckten, standen den Passiva ihrer 10 Mrd. $ gegenüber, die das Monster Stalin zum Herren des Kontinents befördert hatten. So wie der Krieg gelaufen war, konnte der Untergang Hitler-Deutschlands nur in die Hegemonie der Sowjetunion über Ost-Südosteuropa münden. Und wie ferner sich die verarmten Völker des Südens und Westens - Italiens, Griechenlands, Frankreichs - zur politischen Ideologie der unbesiegbaren Sowjetunion stellte war ungewiß. D e n Ausgang, unausweichlich wie er gekommen war, hatte das westliche Duumvirat nicht gewollt. Weder Churchill noch Roosevelt konnten sich mit dem Desaster arrangieren.
Auf der Krim-Konferenz der Großen Drei in Yalta erinnerte Churchill daran, weshalb sein Land gegen Hitler marschiert sei. "Großbritannien ist in den Krieg eingetreten, um Polen gegen die deutsche Aggression zu verteidigen. Es interessiert sich für Polen deshalb, weil das für Großbritannien eine Sache der Ehre ist. Großbritannien kann sich nie mit einem Beschluß zufrieden geben, der Polen keine solche Stellung sichert, daß es Herr im eigenen Haus ist."
Stalin, nun, am 6. Februar, seit drei Wochen selber Herr im polnischen Haus, entgegnete, er verstehe Churchill und seine Ehrensache. "Für die Russen ist die polnische Frage jedoch nicht nur eine Frage der Ehre, sondern auch eine Frage der Sicherheit". Rußland habe früher gegen Polen gesündigt; die Sowjetregierung mühe sich, dies wiedergutzumachen. "Doch der Kern des Problems liegt bedeutend tiefer. Im Verlauf der letzten 30 Jahre sind die Deutschen zweimal durch Polen marschiert, um unser Land anzugreifen. Warum konnten die Feinde bisher so leicht durch Polen marschieren? In erster Linie, weil Polen schwach war." Stalin aber hatte bereits Gewährsleute als Regierung installiert, die Polen stark, frei und unabhängig machten.
"Die britische Regierung" bemerkte Churchill "ist der Meinung, daß diese Regierung nicht einmal ein Drittel des polnischen Volkes repräsentiert." Stalin sagte, er wolle mal in seiner Eigenschaft als Militär sprechen. "Was verlange ich als Militär von der Regierung eines von der Roten Armee befreiten Landes? Daß diese Regierung Ruhe und Ordnung im Hinterland der Roten Armee gewährleistet, die Entstehung eines Bürgerkriegs hinter unserer Front verhütet, und uns nicht in den Rücken schießt." Die Männer der 1939 nach London geflohenen Regierung und ihre Untergrundkämpfer täten das alles nicht. Sie überfielen russische Waffendepots, hätten schon 212 Rotarmisten ermordet und verletzten seine Befehle zum Betrieb von Rundfunksendern. Wenn man sie verhaftet, beklagten sie sich. "Wenn diese Kräfte diese Überfälle auf unsere Soldaten fortsetzen, werden wir sie erschießen".
Da diese Kräfte Stalin schon kannten, als er mit seinem Partner Hitler Polen zerteilte und dessen Offizierskorps liquidierte, verargten sie den Russen ihren damaligen Landraub. Dies Ostpolen hatten sie sich jetzt zurückgeholt und es war und blieb Weißrußland. Was Hitler seinerzeit Stalin zugeschanzt hatte, wollte der sich von seinen jetzigen Partnern nicht wieder abjagen lassen. Er bot den Polen ein Drittel von Deutschland als Kompensation. Um dies auf Dauer zu behaupten, mußten sie sich erst recht seinem Schutz anvertrauen.
"Die polnische Frage" seufzte Roosevelt, "hat der Welt fünf Jahrhunderte Kopfschmerzen bereitet". Man müsse sich bemühen, meinte Churchill, daß dies nicht so weiter ginge. "Das muß man unbedingt", schloß Stalin. Seine Kopfschmerzen hatten nachgelassen. Aller Boden, den Hitler einmal ost-südöstlich sich unterworfen hatte, unterstand binnen kurzem sowjetischer Kontrolle. Niemand in Sicht, sie ihm streitig zu machen. Seine Westverbündeten machten, seit sie im September auf Reichsgebiet vorgestoßen waren, äußerst schwache Fortschritte.
Als die Deutschen im Winter eine Gegenoffensive von der Eiffel in die Ardennen starteten und dabei 76.000 Mann töteten, pochten den westlichen Generalstäblern die Nerven. In Italien kroch man seit nun eineinhalb Jahren den Stiefel hoch und kam kaum über Ravenna hinaus. Churchill schrieb Stalin, "ob wir im Januar mit einer größeren russischen Offensive an der Weichselfront oder anderswo rechnen können. Ich betrachte die Angelegenheit als dringend". Die Rote Armee, die in vergleichslosem Martyrium den Wehrmachtskoloß von der Wolga zurück nach Warschau gestemmt hatte, mußte schleunigst Druck von den unerprobten Mannschaften der alliierten Westfront nehmen.
Vier Wochen später bekannt Churchill in Yalta seine Bewunderung für die Kraft der am 12.01. begonnen Operation. "Die Winteroffensive ist die Erfüllung einer Kameradschaftspflicht gewesen", sagte Stalin. Er habe erkannt, "daß die Alliierten sie dringend brauchten". Sie haben viel bekommen:
In 18 Tagen, berichtete Vizestabschef Antonow, seien die Sowjets in der Hauptstoßrichtung bis zu 500 km vorgerückt. "Damit betrug die durchschnittliche Vormarschgeschwindigkeit 25-30 km in 24 Stunden". Den Deutschen seien 400.000 Mann an Toten und Gefangenen abgenommen worden.
Die Westmächte standen wie angenagelt, wo sie schon seit etwa vier Monaten standen, auf einer Linie ungefähr zwischen Aachen und Saarbrücken. Der bis zur zweiten Januarwoche gleiche Abstand nach Berlin hatte sich dramatisch verschoben. Marschall Schukow wartete an der Oder bei Küstrin, 70 km vor der Reichskanzlei.
"Wie Polen befreit, und wie der Feind der Roten Armee aus dem Land gejagt wurde", wandte sich Churchill hintersinnig an Roosevelt, "das ist eine neue Tatsache von großer Bedeutung". Im Roosevelt- Kabinett wurde sie seit längerem erörtert. Ende Oktober hatte Averell Harriman, US-Botschafter in Moskau, Kriegsminister Stimson davon unterrichtet, "auf welche Art und Weise die Russen versuchen, den von ihnen "befreiten' Ländern ihre Herrschaft aufzuzwingen, und welchen Gebrauch sie dabei von der Geheimpolizei machen". Zwischen Gestapo und GPU bestehe gar kein Unterschied. Ähnliches hatten US-Verbindungsoffiziere berichtet: Über die kalte Verachtung der Befreier Polens, ihre Plünderungen, Morde und Vergewaltigungen. Man müsse soweit als irgend möglich ostwärts gelangen, schrieb Churchill im April an Roosevelt, um Stalins Gewohnheiten einzuschränken.
Den Westalliierten dämmerten in der Spanne von Herbst bis Frühjahr, daß der "Kriegskamerad', der den Befreiungsfeldzug entschied, eine eigene Lesart davon pflegte. Eine bessere war ihm nicht beizubringen, weil sich die anderen Teilnehmer ihre militärische Muskulatur erst mit der Einkesselung der Ruhr, Ende März/Anfang April, anwärmten. Kein Wunder bei einer Mannstärke von 12 gegen 1. Das deutsche Westheer hörte zu kämpfen auf. Die Panzer fuhren nicht mehr. Sprit und Esprit waren gleichzeitig verbraucht. Doch in dem militärischen Zwielicht des Februar/März, der Nervosität und Verlustangst des Westens, die auftrumpfende Menschen- und Materialwalze des Ostens vor Auge - was galten ihr Verluste - werden die Bomben scharf gemacht. Der Mongolensturm des Abendlands erhebt sich.

1 comment:

Anonymous said...

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